Caceres: nie gehört? Genau so ging es mir vor unserer Pilgerschaft 2022 auf der Via de la Plata durch die Extremadura. Umso größer war unsere Begeisterung, als wir dort am 16. und 17. März 2022 einen Zwischenstopp einlegten.

Nachdem wir in Mérida leider einiges verpaßt hatten (und dennoch war es wunderschön), wollen wir uns für Caceres doch genügend Zeit lassen. Pilgerfreund Benno spricht hervorragend Spanisch und hat uns eine Stadtführung mit Xavier (einem Spanier, der wiederum ganz hervorragend Deutsch spricht) organisiert. Und mit jedem Schritt, den ich durch diese Stadt gehe, die zwar Weltkulturerbe ist, von der ich aber vor der Planung dieser Pilgerschaft noch nie etwas gehört hatte, wächst meine Begeisterung für sie.

Auf den uns endlos erscheinenden Kilometern hinein ins Zentrum war es mir tags zuvor noch ein Rätsel, worin denn die UNESCO denn hier etwas Schützenswertes sieht. Der Blick von unserem Zimmer hinab auf die nächtliche Plaza Mayor verschafft mir schon eine leise Ahnung, aber dann wird es mir schon mit dem ersten Schritt durch das mittelalterliche Tor sofort klar: Das muß einfach so sein!

Es ist unmöglich, hier alles zu schildern, was einem da so begegnet. Ein wenig davon seht Ihr hier auf dem Video des Tages auf Youtube:

Deswegen hier nur ein paar Glanzlichter, von denen ich besonders fasziniert war:

Der uralte Baum mit seinen mächtigen Wurzeln hinter dem Bischofspalast läßt mich philosophieren: Wo simnd meine Wurzeln? Wo bin ich verwurzelt? Was gibt mir Halt? Erstaunlich: Hier scheinen die Wurzeln auchnach oben zu wachsen, mit dem Alter sogar fester zu werden.

Der fast schon tote Feigenbaum im Hofe des Carvajal-Palastes: von Krankheit gezeichnet, zu neuer Kraft erweckt, widerständig, nicht aufgebend, neue Kraft spürend, neue Frucht spendend. Er ist zur Identifikation für eine ganze Stadt geworden: knorrig, voller Knoten – und doch Objekt des Stolzes. Und fast jeder zückt das Handy, um ein Foto von ihm zu machen. Obwohl er nach landläufiger Meinung alles andere als „schön“ zu sein scheint.

Fast schon gestorben und doch voller Kraft: der Feigenbaum beim Carvajal-Palast von Caceres.

Das Museum im Haus der Wetterfahnen: Die alten Grabsteine der Krieger aus der Bronzezeit erinnern mich an Erich von Dänikens Filme aus meiner Jugend, in denen er nahelegte, dass in alter Zeit schon Außerirdische auf unserer Erde gewesen seien. Sie muten zuweilen aber auch wie ganz moderne Logos an – eines zuum Beispiel wie ein 5000 Jahre altes Smiley.

Ein 5000 Jahre altes Smiley?

Oder unten im Keller die Zisterne aus dem 12. Jahrhundert – vom Arabern erbaut (wie auch die Stadtmauer). Unter Verwendung römischer Vorgänger: einer der größten und besterhaltenen derartiger Wasserspeicher ihrer Zeit. Auch diese Phase gehört zur europäischen Geschichte – Krieg und Aufbau, ewiger Kreislauf…

Die Zisterne von Caceres – Zeugnis arabischer Vergangenheit.

Die Kathedrale mit ihrem wunderbaren Altar: Glaubenszeugnis – aber auch Machtsymbol? Auf jeden Fall aber wie die vielen sakralen Kunstwerke Zeugnis eines Reichtums, der auf der Eroberung Südamerikas aufbaut – unter Ausbeutung der dortigen Bevölkerung durch die nicht zuletzt aus der Extremadura stammenden Conquistadoren wie Cortes oder Pizarro, nach denen hier in jedem Dorf noch Straßen und Plätze benannt sind. Darf man sie bewundern oder muß man als Europäer haben? Ich glaube nicht, daß es in Spanien eine große Debatte über Raubkunst wie bei uns in Deutschland gibt. Zumindest kriege ich das nicht mit.

Goldüberzogen sind viele Altäre in der Kathedrale von Caceres.

Wunderbar auch die Musik, die einen in eine meditative Stimmung versetzt. Schlichtweg faszinierend der „schwarze Christus“ – ein Zeichen der Versöhnung mit den gewaltsam eroberten Gebieten und deren Menschen? Oder eines der Verbundenheit?

Der schwarze Christus – ein Zeichen der Versöhnung?

Ärgerlich indes, daß ein schnatternde Besuchergruppe (fast nur Frauen übrigens) die wunderbare Stille hier mit einem Schlag zunichte macht – und das von doch sonst als besonders katholisch bekannten Spanierinnen. Die Klagen über „Overtourism“ kommen mir da in den Sinn – obwohl es in Caceres um diese Jahreszeit noch ganz erträglich ist und es sich bei den Touristen im Moment kaum um Ausländer handelt.

Die Skulptur des Heiligen Petrus (San Pedro) von Alcantara an der Ecke der Kathedrale. Er hat blank polierte Zehen. Denn viele Menschen hier legen ihre Hand auf sie – und ihre ganze Hoffnung gleich mit. Glück, Gesundheit und liebe erhoffen sie sich von ihm. Und wer sehnte sich nicht auch danach?

Der Abschied von Caceres fällt auf jeden Fall schwer…

erlebt am 16. und 17. März 2022

notiert am 20. März 2022

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Ein anderer toller Blog ist von Werner Kräutler.

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Via de la Plata 2022 (1): Start in Zafra

Via de la Plata 2022 (2): Zafra – Villafranca de los Barros

Via de la Plata 2022 (3): Villafranca de los Barros – Torremejía

Via de la Plata 2022 (4): Torremejía – Mérida

Via de la Plata 2022 (5): Mérida – Aljucen

Via de la Plata 2022 (6): Aljucen – Alcuescar

Via de la Plata 2022 (7): Alcuescar – Aldea del Cano

Via de la Plata 2022 (8): Aldea del Cano – Caceres