Ein Ruhetag in der Stadt und dann hinaus in einer immer schöner werdende Landschaft – die fünfte Etappe unserer Pilgerschaft auf der Via de la Plata hielt viel Schönes bereit.

Den „Schreibtag“. den ich mir für den Freitag, 11. März 2022 selbst verordnet habe, hatte ich gut genutzt und zwischendurch sogar in einem eher primitiv aussehenden Cafe in der Vorstadt von Mérida eine exzellente Tarta San Valentin gegessen, die ebenso gemundet hat wie später das zweite Extremadura-Entrecote im „Berlin 1989“. Allerdings war der Kellner diesmal heillos überfordert. Aber es sei dem Guten verziehen, schließlich mußte er sich um eine volle Bude kümmern. Und zwar ganz alleine. Was bedeutet: Bestellungen aufnehmen, Bier zapfen, Wein einschenken, Getränke und Essen servieren und kassieren. Da kann es schon vorkommen, dass man den Über- und Durchblick verliert.

Geschenkt also! Auch wenn es mich natürlich temporär ärgert, wenn ich mein Steak ohne meinen geliebten Vino Tinto genießen muß, obwohl ich den mindestens dreimal bestellt habe.

Der Tag Pause in Mérida war nicht zuletzt deswegen ideal, weil das Wetter ziemlich schwächelte. Aber ein Hundespaziergang im Regen darf natürlich dennoch nicht fehlen – und das fast zwei Jahrtausende alte römische Aquäduct ist ja auch im Regen schlichtweg faszinierend. Klar, daß es auch im Mittelpunkt des Videos des Tages steht.

Der nächste Morgen beginnt mit dem Frühstück in unserer geliebten Bar El Acueducto, von dem wir schon tags zuvor begeistert waren: natürlich Tostada (Christine vegetarisch, ich diesmal mit Schinken) und danach noch ein Glas frisch gepressten Orangensaft. Wir genießen wieder die fröhlich-lockere Stimmung rund um den freundlichen Wirt, und dann geht es los – hinaus aus einer Stadt, die wir trotz des anfänglichen Hostal- und Restaurant-Ärgers in sehr guter Erinnerung behalten werden.

Ein Genuss: das Frühstück in der Bar El Acueducto in Mérida.

Toller Gastgeber: der Wirt der Bar El Acueducto.

Zunächst müssen wir uns dabei durch ein Gewerbegebiet kämpfen, das in die frühe Ruinenphase hinüberzugleiten scheint (wobei an einer Halle sogar die Aufschrift „Zeppelin“ prangt, ich allerdings erfolglos darüber rätsle, was es damit auf sich haben könnte). Dann können wir gottlob erstmal das Industriezeitalter hinter uns lassen. Einen Kilometer außerhalb der Stadt treffen wir dann auf Manuela und Torsten („ohne H“, darauf legt er Wert) aus dem Frankenland, die gerade Pause machen. Wir beschließen, ein paar Schritte gemeinsam zu gehen – und bleiben dann doch eine lange Zeit in schöner Gemeinschaft zusammen. Immer wieder trennen sich unsere Wege und führen dann doch erneut zusammen, bis wir schließlich gemeinsam in Salamanca ankommen. Doch davon später.

Das erste gemeinsame Ziel ist auf jeden Fall der römische Stausee von Proserpina, der einst das uns so ans Herz gewachsene Aquäduct vom Mérida „fütterte“. Wir staunen über die Baukunst der Antike, und ich wundere mich keine Sekunde, daß die Unesco    sowohl den Stausee als auch die römischen Überbleibsel in der Stadt zum Weltkulturerbe erklärt hat.

Schon die alten Römer haben den Stausee von Proserpina angelegt – da muß natürlich ein Erinnerungsfoto sein.

Nach einem Kaffee im Stehen in einem Strandlokal (dem einzigen, das am späten Vormittag geöffnet hat) tauchen wir in einer ganz andere Welt ein.

Der erste gemeinsame Kaffee – im Stehen: Christine mit Manuela und Torsten („ohne H“).

Über die Canada real, ein Viehtrieb-Strecke aus mittelalterlicher Zeit, erreichen wir eine Dehesa, und ich bin froh, daß ich nicht die Hitze durchleiden muß, die hier wohl im Sommer und laut der spanischen Pilgertipp-Seite gronze.com  sogar schon einigen Pilgern das Leben gekostet hat: Hitzschlag! Vielleicht erinnert ja der an eine Steineiche gebundene Blumenstrauß mit einem Steinhaufen darunter an einen von ihnen.

Der Ginster blüht, das Gras wird grün – ich bin so beseelt und beflügelt von diesem heuer ersten intensiven Naturerlebnis, daß ich das Video dieses Tages natürlich einfach hier drehen muß.

Manuela und Torsten gehen derweil voraus. Wir holen sie in der Bar von Carrascalejo wieder ein (ehrlicher gesagt: sie warten auf uns), wir genießen den lokalen Rotwein, aber als ich meinen Rucksack abnehme, passiert mir ein blödes Missgeschick. Das Handy-Ladekabel, das ich auf der Anreise mit unserem hervorragenden Ford Transit Euroline eigens in der Nähe von Antibes gekauft hatte, reißt ab. Torsten, dem als Ingenieur natürlich nichts zu schwör ist, fummelt mir zwar den Stecker wieder aus der Buchse, aber funktionsfähig kann er das Kabel danach auch nicht wieder machen.

Da heißt es nun, sparsam mit der Akkuladung umzugehen – und auf die aktuellen Nachrichten vom Weltgeschehen erstmal zu verzichten. Aber vielleicht ist gerade dies eine Fügung des Schicksals, denn was gerade in der Ukraine passiert, belastet mich doch (zu) sehr und bringt mich als Pazifisten in Gewissensnöte.

Die schlimmste Folge des Malheurs ist es, daß ich, um Strom zu sparen, das Handy ausschalten muß, nicht mehr spontan als Fotograf tätig sein kann und mithin auf andere angewiesen bin (was mir ja prinzipiell nicht so leicht fällt).

Ausgeglichen wird das freilich durch eine überwältigende Landschaft, und daher erreichen wir glücklich und fröhlich die Herberge zum Heiligen Andreas (Albergue San Andres) in Aljucen. Mit uns checkt ein 31-jähriger Südkoreaner (ich nenne ich „Seoul-Man“) ein, der offenkundig auf Weltreise ist – der Jakobsweg ist eben international…

Abendessen gibt es bei Herbergsmutter Raquel, die zusammen mit ihrem Mann das Restaurante Chiosco el Parque im Dorfzentrum ganz in der Nähe der romantischen Andreaskirche mit ihrem beeindruckend inszenierten Allerheiligsten betreibt.

Die romantische und uralte Andreaskirche von Aljucen…

… mit ihrem beeindruckend inszenierten Allerheiligsten.

Die Nudelsuppe schmeckt mir besser als Christine, die kein solcher Wurst-Fan ist wie ich, danach gibt es Lachs für sie und wieder Hulasch für mich. Ein gemütlicher Abend in fröhlicher Runde. Aber nachts holt mich die Ukraine wieder ein und bringt mich um den Schlaf…

erlebt am 11. und 12. März 2022

Statistik:

Länge: 16,5 km
Dauer: 5 Stunden
Anstieg: 168 Höhenmeter
Abstieg: 109 Höhenmeter
höchster Punkt: 309 Meter
tiefster Punkt: 209 Meter

direkter Link zu Alpenverein aktiv hier.

Buchtipp: https://www.amazon.de/Spanien-Jakobsweg-Plata-Mozarabischer-OutdoorHandbuch/dp/386686440X/ref=sr_1_1?crid=3TY0F90UFT5TB&keywords=Raimund+Joos+Via+de+la+Plata&qid=1650636123&s=books&sprefix=raimund+joos+via+de+la+plata%2Cstripbooks%2C80&sr=1-1

Ein anderer toller Blog ist von Werner Kräutler.

Auch in Facebook findet sich eine sehr hilfreiche Gruppe.

Informationen zur Extremadura gibt es hier.

Informationen zu Mérida? Bitteschön!

Die vorigen Etappen findet Ihr hier:

Via de la Plata 2022 (1): Start in Zafra

Via de la Plata 2022 (2): Zafra – Villafranca de los Barros

Via de la Plata 2022 (3): Villafranca de los Barros – Torremejía

Via de la Plata 2022 (4): Torremejía – Mérida