Die erste Etappe unserer Pilgerschaft auf der Via de la Plata war ja eher ein Stadtrundgang durch Zafra. Aber heute am 8. März 2022 soll es richtig losgehen. Also: Auf geht’s Richtung Norden!

Trotz im Vergleich zu Tirol angenehmer Tagestemperaturen ist es im März in der Extremadura auch ganz schön kalt. Und so brauche ich den Schlafsack, den ich eigentlich nur für Notfälle mitgenommen hatte, dann doch schon in der allerersten Nacht in der Albergue de Peregrinos Van Gogh Zafra, die übrigens sehr zu empfehlen ist.

Wenn Ihr irgendwelche Probleme habt, ruft mich einfach an!“: Beim Abschied macht Antonio Puente Mateo seinem guten Ruf als Herbergsvater par excellence einmal mehr alle Ehre. Es hat in der Nacht leicht geregnet, ist noch relativ kühl, und so bin ich nach dem Frühstück im Restaurante Rogelio des Hotels Carmen, wo wir schon am Abend zuvor so gut zu Abend gegessen haben, froh um meinen Anorak. Meine geliebte lange Unterhose habe ich in der Aufbruchs-Euphorie und -Hektik gestern dann doch in unserem hervorragenden Ford Transit Euroline vergessen.

In der Calle San Francisco drehen wir dann an einem romantischen Brunnen unser traditionelle Auftakt-Video, und dann geht es an dem uralten Turm, der als einziges vom früheren Franziskanerkloster übrig geblieben ist, hinaus aus der Stadt und hinein in die Landschaft.

Vom alten Franziskanerkloster in Zafra ist nur noch der Turm übrig geblieben.

Einige Gehöfte säumen die ersten Kilometer, und jedes ist von pflichtbewußten Hunden bewaccht. Und alle überkommt eine Ausflipp-Attacke bis fast zur Atemlosigkeit, wenn wir mit Arco, unserem „Perro peregrino“ (die spanische Übersetzung für: Pilgerhund) daran vorbeilaufen. An einer kleinen Passhöhe (wobei dieser Ausdruck, wenn man aus dem Alpenraum oder auch nur von der Schwäbischen Alb kommt, im Grunde maßlos übertrieben ist) kommen wir zu einem kleinen Naturschutzgebiet mit mit einer erstaunlichen Artenvielfalt: Steineichen, Olivenbüsche und vor allem Orchideen breiten sich da aus.

Zügig geht’s den Berg hinab, und nach unserer ersten echten „Pilgerstunde“ kommen wir ins erste Dorf oder besser gesagt Städtle: 8000 Einwohner hat Los Santos de Maimona, mehr also als unsere Heimatgemeinde Reutte in Tirol. Wie es der Zugfall (oder der liebe Gott) so will, treffen wir schon an der ersten Kreuzung einen Stadtführer, der uns zur Kirche lotst, deren Geschichte bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht, aber in ihrer jetzigen Form in der späten Gotik des 15. und 16. Jahrhunderts entstanden ist. Voller Stolz zeigt unser Freund auf das königliche Wappen oberhalb der Pilgertür – es gehört zu Spaniens König Carlos I., also Karl I., der als junger Mann (und nach deutscher Zählweise Kaiser Karl V. ist) auf dem Reichstag zu Worms Martin Luther gegenüber saß und dann die Reichsacht über ihn verhängte. Ob er wirklich verstand, um es da ging und was er mit dem Schritt, die Reichsacht über ihn zu verhängen, auslöste?

Doppelt behütet hält besser: vor der Kirche von Los Santos de Maimona.

 

In der Kirche von Los Santos de Maimona war schon Kaiser Karl V. – für die Spanier ist er König Karl I.

Aber er war nicht nur in Worms, sondern auch in dieser Kirche in Los Santos, und davon schwärmen die Menschen hier noch heute.

Nach dem Stadtrand beginnt der Löwenanteil unserer heutigen Etappe, die Werner Kräutler auf seinem exzellenten Blog als „nicht weltbewegend“ beschrieben hat. Ich stimme ihm da nur bedingt zu. Sicher, die großen Highlights findet man da nur bedigt (sofern man sie überhaupt sucht), aber für mich ist das Dahintrotten durch die Mühen der Ebenen heute vermutlich genau das Richtige, um die Bilder vom Krieg in der Ukraine und den von dort flüchtenden Menschen , die ich zum Frühstück über den in Spanien pausenlos laufenden Fernseher „serviert“ bekomme (ob ich nun will oder nicht) aus dem Kopf zu bekommen.

Olivenbäume – wohn das Auge reicht!

„Ich beneide jeden, der jetzt in dieser Stille unterwegs sein kann“, hat mir Raimund Joos, der einen ganz hervorragenden Wanderführer zur Via de la Plata verfasst hat, per Facebook Messenger geschrieben.Und tatsächlich: Diese Stille ist zu hören. Wenn der Wind durch die Zweige der Olivenbäume Slalom fährt, wenn er sanft die Wiesen streichelt, und wenn zartes, aber wunderbares Vogelgezwitscher zuerst das Herz und dann das Ohr erreicht. Obwohl wir durch eine Kulturlandschat gehen, kann von einem „stummen Frühling“ wahrlich keine Rede sein. „So was gibt’s zuhause nicht mehr“, denke ich mir. Oder fällt es mir bei allem Impfpflicht-Getöse und jetzt Kanonen- und Raketendonner nur gar nicht mehr auf?

Staunen lassen mich auf jeden Fall die Blumen, die schon jetzt am Wegesrand so blühen. Ich bin ja so stolz auf die Orchideen auf der Neuffener Heide am Rande der Schwäbischen Alb oder auf den Tiroler Almwiesen (und werde das auch bleiben) – aber hier wächst das Riesenknabenkraut flächenartig! Und das Wort „Riesen“ ist da wahrlich keine Übertreibung. Auf einen halben Meter Höhe bringen es diese herrlichen Blumen locker!

Der Name Riesen-Knabenkraut ist wahrlich keine Übertreibung!

 

Kurz vor dem Ziel löscht Arco, der Perro peregrino, in Villafrana de los Barros seinen Durst.

Und so macht es mir auch wenig aus, daß das letzten Drittel der heutigen Etappe jenseits der Nationalstraße N-630, die uns quasi während unserer gesamten Pilgerschaft begleiten soll, doch ziemlich eintönig ist. Und für den ersten Tag reicht uns diese Etappe dann auch erstmal. Unser Quartier La Marina in Villafranca de los Barros ist indes sehr speziell. Es erinnert mich an ein zweitklassiges Hotel während meiner Reise vor 20 Jahren  mit Frieder Alberth in die Ukraine.   Die Ziehleine der Klospülung löst sich ebenso aus der Verankerung wie die Türklinke, das Bett sackt so tief ein, daß die Matratze vermutlich bereits zu Zeiten des Generalissimo Francisco Franco dort lag.

Aber das stört uns nicht groß, denn das einfach Abendessen ist einfach grandios: Artischocken mit Schinken als Vorspeise, danach Seehecht für Christine und Schweinskotelett für mich, dazu eine Karaffe Vino tinto und für Christine noch extra Vino tinto con Lemon (ihr neues Lieblingsgetränk) plus ein Liter Wasser – und das alles für 10 Euro pro Person. Und geschmeckt hat es ganz prima! Kaum zu glauben, aber wahr! Und als Schwabe schläft man da natürlich umso zufriedener. Da stört auch das durchgegautschte Bett nicht.

Eine köstliche Vorspeise: Artischocken mit Schinken!

Und als Dessert eine super Eistorte!

gegangen am 8. März 2022

Die Tour ist bei Alpenvereinaktiv hier zu finden. Kurz die Daten: Länge: etwa 22 Kilometer. Höhenunterschiede: 188 Meter bergauf, 310 Höhenmeter bergab. reine Gehzeit: etwa fünf Stunden

Buchtipp: https://www.amazon.de/Spanien-Jakobsweg-Plata-Mozarabischer-OutdoorHandbuch/dp/386686440X/ref=sr_1_1?crid=3TY0F90UFT5TB&keywords=Raimund+Joos+Via+de+la+Plata&qid=1650636123&s=books&sprefix=raimund+joos+via+de+la+plata%2Cstripbooks%2C80&sr=1-1

Ein anderer toller Blog ist von Werner Kräutler.

Auch in Facebook findet sich eine sehr hilfreiche Gruppe.

Informationen zur Extremadura gibt es hier.

Weitere Artikel zur Via de la Plata:

Via de la Plata 2022 (1): Start in Zafra

Via de la Plata 2022 (3): Villafranca de los Barros – Torremejía