Die Extremadura ist eine Landschaft, an die man sich als Mitteleuropäer erstmal gewöhnen muss. Und speziell im südlichen Teil können sich an ihr selbst bei einem Ehepaar die Geister scheiden. Das erlebten wir am dritten Tag unserer Pilgerschaft auf der Via de la Plata.

Frohgemut gehen wir den Tag an, denn schließlich habe ich gelesen, daß wir heute auf der alten Römerstraße Via Augusta unterwegs sein sollen. Aber mal ehrlich gesagt: Ich spüre davon – rein gar nix! Obwohl ich ja historisch durchaus vorgebildet bin. Außer vielleicht, daß es stundenlang immer geradeaus durch die Tiefebene geht, in der sich die Berge am Horizont nur als Konturen im Dunst abzeichnen.

Der Charme des Verfallenden: Es geht hinaus aus Villafranca de los Barros.

Ich als Weintrinker bin natürlich begeistert von den vielen zum Teil uralten Weinstöcken, die sich oft ebenfalls bis zum Horizont erstrecken und ab und zu lediglich von Olivenplantagen unterbrochen werden. Was auch kein Wunder ist, denn schließlich befinden wir uns ja im Herzen des Anbaugebietes Ribera del Guardiana. Ansonsten bereitet die Piste durch die Barros (was in der spanischen Sprache zugleich „fruchtbare Ebene“ als auch „Lehmland“ zu bedeuten vermag) so gut wie keine Abwechslung. Es ist eine Strecke zum Dahintrotten. Und dabei entstand auch das Video des Tages:

Am Morgen haben wir überlegt, ob wir auf halbem Weg einen 4-Kilometer-Abstecher machen sollen, um in Almendralejo zu übernachten, da die heutige Etappe doch sehr weit ist. Aber dann müssten wir am nächsten Morgen ja wieder zurück und hätten nur begrenzt etwas gewonnen, Und so denken wir uns nach einer „Mittagskonferenz“: „Bringen wir es halt lieber hinter uns!“

Weinstöcke so weit das Auge reicht…

Nicht unbedingt die richtige Entscheidung, denn jetzt geht die Öde (die wir uns bei der Teilung der Etappe indes auch nicht erspart hätten) erst so richtig los – kaum Richtungsänderungen, kaum Veränderungen in der Landschaft neben der Piste. Mit jedem Kilometer wird es zäher. Es ist mehr Kampf als Freude – vielleicht ein Sinnbild dafür, daß man sich auch durch durch so manche öde Passagen des eigenen Lebens durchkämpfen muß, kein Ende sieht und glaubt, man käme überhaupt nie mehr ans Ziel.

Rast am einzigen Bach auf unserer heutigen Etappe.

Trotzdem muss ich schmunzeln: Wir gehen wohl tatsächlich durch ein Landgut mit Namen Chaparal – und das erinnert mich sofort an die US-Serie High Chaparral, die ich in meiner Jugend begeistert mit meinen Freunden angeschaut habe. Viel mehr gab’s im Fernsehen von damals ja nicht zu sehen. Hauptsache, es flimmerte was…

„Low Chaparral“ in der Extremadura.

Christine ermüdet immer mehr, schleppt sich tapfer dahin, und dann biegt 5 Kilometer vor Torremejía, unserem heutigen Ziel, gottlob ein Landarbeiter aus einer Olivenplantage auf die Piste ein. Er ist so nett und nimmt Christine in seinem betagten Renault mit in die Stadt – doch das von uns anvisierte Hostal Milenium hat zu, so dass ich telefonisch auf die Albergue Rojo Plata umdisponiere, für 22 Euro pro Person aus meiner Sicht für eine Nacht im Metallbett etwas hochpreisig, aber wir sind froh, mit unserem Hund Arco, dem „Perro peregrino“, überhaupt unterzukommen. Und schließlich haben wir noch Clo und Dusche für uns allein.

Unser Abendmenu: Pommes!

Beim Abendessen folgt freilich der nächste Frust: Alle Restaurants haben zu, es bleibt bei schnöden Pommes in der Cervezeria Casa Madrile, in der sich dann eine Menge älterer Herren (im Klartext: so alt wie ich etwa) versammeln, um Real Madrids Aufholjagd in der Champions League gegen Paris St. Germain zu verfolgen und anzufeuern.

Real spielt mit Rückstand gegen Paris St. Germain – und gewinnt schließlich. Spannung in der Cervezeria! Denn zuerst sah es nicht danach aus.

Eine fantastische Stimmung. Aber nach einer solchen Strapaze muss ich dann doch in mein Metallbettele im Hostal.

Den Jubel über Karim Benzemas unglaublichen und entscheidenden Ko-Treffer für Real kriege ich da leider nicht mehr mit. Pilgerpech!

erlebt am 9. März 2022

Statistik:

Länge: 26,8 km
Dauer: 8 Stunden
Anstieg: 54 Höhenmeter
Abstieg: 138 Höhenmeter
höchster Punkt: 390 Meter
tiefster Punkt: 297 Meter

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Ein anderer toller Blog ist von Werner Kräutler.

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Informationen zur Extremadura gibt es hier.

Die vorigen Etappen findet Ihr hier:

Via de la Plata 2022 (1): Start in Zafra

Via de la Plata 2022 (2): Zafra – Villafranca de los Barros