Die achte Etappe unserer Wanderung über die Peaks of the Balkans entpuppte sich für uns und unsere Begleiterin Emily aus Australien durchaus als Herausforderung. Just deswegen wollten wir auch so früh als möglich los.

Diesmal klappt es mit einem frühen Frühstück, das wir uns im Eko Katun Hako in Babino Polje, unserer ersten Station in Montenegro mit vier serbischen Bergsteigern teilen, die den höchsten Berg der Region im Nationalpark Prokletije von hier aus in Angriff nehmen wollen.

Herrlich gelegen: die Hirtensiedlung  Bajrovica katun auf 1700 Metern.

Der Einstieg in unsere Tour liegt quasi direkt vor unserer Haustür, und so können wir schnell unsere Steigung in Angriff nehmen. Die ist heute übrigens relativ kommod. Über eine Alm mit der Hirtensiedlung Bajrovica katun auf gut 1.700 Metern Höhe geht es in einem dichten Wald hinauf zu unserem ganz persönlichen Highlight dieser Etappe: der Hridsko Jezero ist quasi das Idealbild eines Bergsees. Wunderbar romantisch breitet er sich vor uns dreien aus, und wir sind erst einmal stolz auf uns, dass wir zum ersten Mal die offizielle „Marschtabelle“ unterschritten und nur zweidreiviertel statt drei Stunden gebraucht haben. 😉

Meine Vermutung: Die Montenegriner geben vielleicht einfach die Gehzeiten etwas realistischer an als ihre Nachbarn.

Ein Genuss, von dem man sich nur schwer trennen kann: die Rast am Hridsko-Jezero (einem Traum von einem Bergsee).

Die Rast hier ist das pure Vergnügen. Die Pflaumen und der Apfel aus dem Lunchpaket von unserem Quartier sind ein Hochgenuss, und direkt vor meinen Füßen schaut mich ein brauner Frosch neugierig an. Berglurche wuseln unter Wasser hin und her, und Christine erzählt mir, daß die bei uns zuhause in Tirol eine absolute Seltenheit sind. Einfach toll, wie sie sich immer mal wieder von oben nach unten „taumeln“ lassen und dabei ihren orangenen Bauch zeigen. Daß es so was noch gibt…

Obwohl wir hier beileibe nicht einsam sind  und eine Männergruppe aus Spanien ihre Gemeinschaft mit südländischer Lautstärke zelebriert, können wir uns nur schwer von diesem wunderbaren See loseisen und losreißen, es ist einfach zu schön hier. Aber irgendwann muß es dann ja doch sein, zumal wir noch ein gutes Stück vor uns haben – erst zwei Drittel sind ja geschafft. Also: die Rucksäcke gesattelt und weiter!

Emily aus Australien hat eine Menge zu schleppen – puh!

Eigentlich dachte ich ja, es ginge nur noch ein kleines Stückle aufwärts. Aber wieder einmal: Typischer Fall von denkste! So steil wie nach dem See war es auf dieser Etappe noch nie, aber nach 20 Minuten ist auch dies geschafft, und über die nun schon gewohnte Fahrpiste und später einen romantischen Waldpfad geht es hinauf zum nächsten „Wow-Punkt“: Auf dem Grast präsentieren sich uns wieder die Albanischen Alpen, die wir in den Tagen zuvor entbehren mußten. Einfach herrlich!

Ein Selfie auf dem höchsten Punkt – das muß einfach sein.

Daß es flott bergab geht, ist der nächste Trugschluß, dem ich erliege Als wir uns schon unten im Tal wähnen, wartet eine abenteuerliche Bach-querung auf uns, und ich bin heilfroh, daß Christine mir meinen Rucksack barfuß hinüber vorausträgt. „Unbelastet“ gelingt mir dann auch der Balance-Akt.

Unverhofft wartet dann doch noch eine Steigung auf uns, und oben sehen wir uns dann doch mit der ersten doch nicht völlig stressfreien Begegnung Arcos mit einer Hundeschar konfrontiert. Ein riesiger davon trägt sogar ein Halsband mit bedrohlichen Metall-Zacken – vielleicht für den Kampf mit Wölfen und Bären, damit die ihn nicht in den Hals oder Nacken beißen können? Wer weiß?! Aber nach einigem Hin- und Her-Geknurre geht dann doch alles gut.

Die Piste, auf der wir uns nun hier befinden, zieht sch endlos, und wir sind heilfroh, als hinter uns ein Auto mit zwei Bauern hält und uns die beiden fragen, ob wir nicht mitfahren wollen – ein Angebot, das wir einfach nicht ausschlagen können! Wir lagern unsere drei Rucksäcke im Kofferraum auf Gras. Die beiden sind wohl gerade auf der Heimfahrt vom Heuen. Ein wilder Ritt auf der Rüttelpiste folgt – macht aber dennoch Spaß. Endlich können wir unsere müden Beine schonen. Nicht mal 100 Höhenmeter über Plav können wir aussteigen und hinunter ins Tal wandern – die beiden müssen weiter geradeaus…

Über Plav ruft der Muezzin – es ist Freitsg, und zum ersten Mal sind wir in so etwas wie einer Stadt: Wie Reutte ist Plav Sitz eines Kreises oder Bezirkes – mit eigenem Autokennzeichen: PL. Und auch die Einwohnerzahl ist in etwa gleich.

Über Plav ruft der Muezzin…

Gastronomisch haut es uns freilich hier nicht gerade vom Hocker. Es dauert lange, bis wir uns entschieden haben, im Cafe Timm zu essen, nachdem uns zuvor über fast eine Stunde Suche nichts so richtig angemacht hat. In Alpenvereinaktiv sehr gelobt, entpuppt es sich zunächst erst einmal als „We don’t have“-Location: Es gibt weder den in der Alpenvereinaktiv-App angepriesenen Orangenkuchen noch die auf der Karte angeführten San Pellegrino-Limonaden noch das ebenfalls auf dieser Liste zu findende Beefsteak („We don’t habe red meat“). Von meinem abendlichen Viertele mal ganz zu schweigen. Wir sind eben in einer islamisch geprägten statt, was uns gleich an den beiden Friedhöfen am Ortsrand deutlich wurde: Riesig der muslimische mit den weißen Grabsteinen, viel kleiner der serbisch-orthodoxe mit dem schwarzen Grabmalen.

Riesig: der muslimische Friedhof von Plav…

… und viel kleiner der christliche (serbisch-orthodoxe).

Plav und sein Seen sind offenkundig sehr berühmt. Wir sitzen direkt an der „Promenade“ hinunter zum See – und nicht nur Fußgänger promenieren hier, sondern in erster Linie Autos mit den unterschiedlichsten Kennzeichen. Selbst die USA und arabische Staaten sind vertreten – und in den Nobelkarossen sitzen zumeist Frauen mit Burkas. Außer auf dem Fahrersitz. Das Steuer halten stets Männer in der Hand, von denen nicht wenige ein paar Mal hin- und hertuckern (von Düsen kann aufgrund des permanenten Staus nicht die Rede sein), aber dennoch immer wieder den Motor hocjagen und/oder kräftig hupen. Man will ja schließlich gesehen werden (inklusive seines persönlichen Wohlstands).

Wir haben noch ein nettes Gespräch mit einem Ehepaar, das wir am Hridsko-See schon mal getroffen haben. Die Zeit vergeht wie im Fluge, und so wird es tatsächlich Mitternacht, bis wir in unserem Bett im Gästehaus Erdan (einfach, aber preisgünstig, mit Etagenclo) sind. Von drunten dröhnt noch laute Musik. Aber dennoch schlafen wir schnell ein…

Gegangen am 30. Juni 2023

Länge: 21 km
Dauer: 8,5 Stunden
Höhenunterschied: 566 m hoch, 1140 ab
höchster Punkt: 2047 Meter
tiefster Punkt: 947 Meter

Zum Link von Alpenvereinaktiv: klickt hier!

Und hier die bisherigen Folgen meiner Serie über die Peaks of the Balkans:

Peaks of the Balkans: Die Anreise

Peaks of the Balkans: Prolog in Shkoder

Peaks of the Balkans: Ab nach Theth!

Peaks of the Balkans (3): Theth – Valbona

Peaks of the Balkans (4): Valbona – Gocaj

Peaks of the Balkans (5): Gocaj – Doberdol

Peaks of the Balkans (6): Doberdol – Milishevc

Peaks of the Balkans (7): Milishevc – Reke e Allages

Peaks of the Balkans (8): Reke e Allages – Guri i Kuq

Peaks of the Balkans (9): Ruhetag im Guri i Kuq

Peaks of the Balkans (10): Guri i Kuq – Babino Polje