Wie war es denn jetzt auf dem Balkan? Diese Frage haben wir seit unserer Rückkehr von unserer Reise unzählige Male hören müssen. Und  ich halte mein Versprechen: Im Blog könnt Ihr unsere Erlebnisse nun Etappe für Etappe mitverfolgen. Aber zunächst solles mal um unsere Anreise gehen. Denn schon die allein war ein Erlebnis.

Im Sommer 2023 also mal was ganz anderes: Nicht wie bislang in die Alpen, sondern nach Südosteuropa. Auf den Balkan. Um es mit Karl May zu sagen: „Durch das Land der Skipetaren“.

Peaks of the Balkans heißt der Fernwanderweg, den wir uns ausgeguckt haben. „Ganz einsam“, dachte ich mir. Bei der konkreten Planung sah ich mich indes mit einer Warnung vor Overtourism konfrontiert. Doch wie ist es wirklich dort? Das wollen wir nun erkunden…

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Mit der Anreise wollen wir uns Zeit lassen. Ziemlich hektische Wochen liegen hinter mir, da ich frühzeitig aufbrechen wollte und sowohl für den REUTTENER als auch für das Eigenmarketing meines neuen Wanderbuchs über die Sächsische Schweiz und das Osterzgebirge noch einiges zu tun war. Aber wenigstens kommen wir pünktlich am 15. Juni los…

Unser erstes Ziel: Grado. Am ende unserer Alpendurchquerung waren wir vor fünf Jahren von dieser alten Stadt mit k. und k. Charme aus der Zeit Franz Josephs. Diesmal sehen wir sie aber gar nicht – unser Campingplatz Belvedere Pineta liegt einfach zu schön. Und einfach mal auszuruhen und rumzugammeln tut ja auch mal ganz gut.

Hier fühlten wir uns wohl: Camping Belvedere an der Lagune von Grado.

Der Platz hat zwar nur eine mittelprächtige Google-Bewertung, aber das zeigt mir mal wieder, daß alles relativ ist. Die Toiletten sind sauber, und daß es kein Clopapier gibt, ist ja eigentlich nur für den ein Problem, der keines dabei hat. Es gibt keinen Rummel und kein Animationsprogramm, aber das ist für uns ja eher ein Pluspunkt. Und daß man beim Baden Schlamm unter den Füßen hat, liegt zudem buchstäblich in der Natur der Sache.

Auf jeden Fall spüre ich mal wieder: Bei uns in Deutschland und Österreich wird auf ziemlich hohem Niveau gejammert, und die Tür zur Miesepetrigkeit hat eine ziemlich nieder Schwelle. Denn die schlechten Bewertungen stammen in erster Linie von dort. Bei den Gästen aus Polen oder Ungarn sieht das ganz anders aus.

Zum Frühstück gibt es Neuenhäuser Wachteleier.

Während wir am ersten Abend ob unserer späten Ankunft noch selbst gekocht haben, entschließen wir uns am zweiten noch zu einer ziemlich öden 12-Kilometer(hin und zurück)-Wanderung ins Ristorante Antica Aquileia am Rande der alten Römerstadt. Hervorragendes Essen, und meine Tagliatelle mit den ersten Steinpilzen inspirieren mich für die kommenden Tage.

Tagliatelle mit dem ersten Porcini im Antica Aquileia – einfach herrlich!

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Nach dem Start am nächsten Morgen können wir dann doch nicht einfach an Aquileia vorbeifahren und drehen nochmal um. In der Kathedrale ist zwar gerade eine Trauung (weswegen wir nicht hineinkommen), aber auch das Baptisterium ist auch überaus beeindruckend.

Mystische Stimmung im Baptisterium von Aquileia.

Nicht zuletzt wegen der Licht-Inszenierung: Farbige Tücher tauchen den Raum in eine geradezu mystische Atmosphäre. Und der Pfau, der als Mosaik die Wand ziert, begeistert mich als Symbol der Auferstehung schon eh und je.

Der Pfau – Symbol der Auferstehung…

In Triest erlauben wir uns hingegen keinen Stopp, denn schließlich ist es schon Mittag, und bis Albanien warten noch rund 1000 Kilometer auf uns.

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Für rund eine Stunde Slowenien wollen wir keine 25 Euro ausgeben. Und der Entschluß, für den Transit auf die Landstraße auszuweichen, erweist sich als goldrichtig. Nicht nur, daß wir dadurch viel mehr von der herrlich grünen hügeligen Landschaft mitbekommen, sondern auch weil wir einen Verkäufern von frischen Steinpilzen am Wegesrand. Da schlagen wir natürlich sofort zu und investieren fast die gesamte gesparte Maut: 20 Euro.

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In der Nähe von Rijeka kommen wir auf die kroatische Autobahn, verfahren uns kurz und kommen dann an der Insel Krk vorbei und durchs Bergland dann doch auf der Autobahn Richtung Split. Auch hier begeistert uns das viele Grün – und nicht zuletzt die vielen Wildtier-Brücken, die laut Beschriftung ausdrücklich für Wolf und Bär angelegt wurden. Hier scheint es also eine solche Hetze gegen die „großen Beutegreifer“ wie zuhause (noch?) nicht zu geben.

Um 18 Uhr entscheiden wir uns, einen Campingplatz am Rande des Nationalparks Paklenica anzusteuern, schließlich wollen wir ja unsere Steinpilznudeln in Ruhe verspeisen. Und die können wir dann auch dem Rummel auf dem Platz direkt am Meer zum Trotz auch richtig genießen. Und als Krönung des Tages wartet dann noch ein herrlicher Sonnenuntergang auf uns.

Die Sonne versinkt am kroatischen Nationalpark Paklenica.

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Warum ich früh aufwache, weiß ich nicht. Aber übermüdet fühle ich mich auch nicht. Ein Glücksfall. Denn dadurch kommen wir am 18. Juni früh los. Was, wie sich später herausstellt, auch eine absolute Notwendigkeit war.

Die ersten 2,5 Stunden auf der Autobahn geht es noch flott voran, dann leitet und Google Maps in eine ganz andere Verkehrswelt. Aber das ist eh gar nicht schlecht: Auf den Landstraßen kriegt man einen viel besseren Eindruck von Land und Leuten.

Und wir begegnen noch etwas, das einem wie aus einer ganz anderen Welt vorkommt: Grenzkontrollen! In Bosnien-Herzegowina werden wir wortkarg bis bis unfreundlich „begrüßt“. Ein Grenzer, dessen Outfit eher an einen Traumschiff-Kapitän erinnert, fragt beim Blick in unseren Ford Transit Euroline nachdrücklich-unwirsch: „What is this?“ Was er meint, erschließt sich uns nicht, vielleicht hält er Christines schwarz-grünen Rucksack für enen Migranten, den wir zurückschleusen wollen. Ein eigentlich absurder Gedanke. Als wir ihm bedeuten, daß wir nicht wissen, was er meint, winkt er uns mißmutig weiter.

Kein freundlicher Empfang an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina.Herzegowina.

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Wir fahren nun die nächsten Stunden durch ein geschlagenes, gespaltenes Land. In der Herzegowina sind die meisten serbischen Ortsnamen in kyrillischer Schrift durchgestrichen oder mit schwarzer Farbe übersprayt. Mitten in der Pampa steht dann eine riesige serbische Fahne aus bemaltem Metall: Wir sind in der Republika Srpska!

Erst später lese ich, daß es in Stolica und im wunderschönen Bregava-Tal ein furchtbares Massenmorden gegeben hat. Nichts läßt einen das heute noch erahnen. Es sei denn, man schaut ganz genau hin Dann erkennt man die (oft durch Buschwerk verdeckten) Gedenkkreuze. Katholiken haben Orthodoxe umgebracht – und umgekehrt. Wann werden diese Wunden heilen? Und ob überhaupt?

Idylle, wo einst ein blutiger Bürgerkrieg tobte: das Tal der Bregava.

Auf der Weiterfahrt ist es dann genau umgekehrt: Nun sind die Ortsnamen in lateinischer Schrift übermalt. Eine der Bürgerkriegsfolgen ist vielleicht die (Menschen aus den Ballungsräumen wohltuende) Einsamkeit hier: Viele Bewohner der Region wurden getötet oder sind geflohen…

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Durch kleine Orte mit dem Charme des späten Sozialismus der Tito-Aera kommen wir ziemlich unverhofft zur nächsten Grenze: Bosnien-Herzegowina ud Montenegro teilen sich eine Station, die Grenzer sitzen sich gegenüber und reichen sich die Pässe zu. Der Montenegriner befleißigt sich wieder einer gehörigen Portion Unwirschheit, als ich sein Kommando „Automobil!“ nicht gleich einzuordnen vermag. Er wollte nicht (wie ich dachte) wissen, welches Auto ich fahre, sondern den Kfz-Schein präsentiert bekommen. Grußlos reicht er mir unsere Papiere zurück.

In Montenegro beginnt das Paradies der Tempolimits. Der Verkehr nimmt zu, so etwas wie eine Autobahn oder Schnellstraße gibt es auch hier nicht. Aber dafür vor jeder Einmündung ein 50er-Tempolimit. Und Einmündungen gibt es hier ziemlich viele…

Die Dörfer reißen mich nicht vom Hocker, um die Hauptstadt Podgorica werden wir herumgeleitet und lernen nur deren Gewerbe- und Industriegebiete, die genauso häßlich wie die unseren sind wie die unseren, sowie die vierspurige Ausfallstraße gen Albanien, auf der man auch nur 80 fahren darf, kennen.

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An der Grenze zu Albanien müssen wir dann die längste Wartezeit überstehen (vor uns stehen auch mehr Autos als zuvor) – aber dafür begrüßt uns der erste freundliche Grenzer.

Und dann lockt uns der See, von dem wir schon so viel gehört haben: Je nach Land und Sprache heißt er Skutari-, Shkoder- oder Shkodra-See. Von der Straße aus sehen wir allerdings zunächst nur einen breiten Schilfgürtel, es scheint keinen rechten Zugang zu geben. Dann entdecken wir am Rande von Lashaj, eines kleinen Dorfes, ein Schild: „Lakeside Cafe“. Also nichts wie nach rechts abgebogen…

Ein Café entdecken wir zwar weit und breit nicht, und die Straße wird zuerst zur Schotterpiste und danach zur Rüttelstrecke – aber dann sind wir tatsächlich direkt am Ufer.

Kühe grasen in den feuchten Wiesen, Vögel zwitschern. Und wir entschließen uns, in dieser herrlichen Umgebung nochmals unsere legendären Steinpilz-Nudeln zu essen. Gesagt, gekocht!

Christine kocht mal wieder Steinpilz-Nudeln.

Plötzlich nähert sich ein schwarzer BMW, und wir befürchten schon, jemand habe bei der Polizei gemeldet, daß Wildcamper die Naturidylle stören. Doch weit gefehlt: Es sind drei freundliche Fischer, die nach ihren Booten und potentiellen Fängen schauen.

Auch Arco gefällt’s am Shkodra-See.

Sie freuen sich über die Gäste aus Österreich und schwärmen uns von ihrer Heimat vor. Und versichern uns, wir könnten uns auf eine tolle Wanderung über die Peaks of the Balkans freuen. Voll guter Laune und Vorfreude fahren wir daher in unser erstes Quartier auf albanischem Boden: das Hotel Kaduku mitten in Shkoder.