Dienstag, 9. Juli 2013: Die Nacht war herrlich im Rifugio Il Truc, das Frühstück gewohnt italienisch karg. Aber das stört uns nicht. Voller Freude machen wir uns auf die erste „richtige“ Tagesetappe auf der GTA 2013. Gestern Abend sind wir ja nur auf die Hütte „angewandert“.

Nun geht es erstmal durch einen Lärchenwald, der das Herz erfreut. Entlang eines künstlichen Wasserlaufs (die Südtiroler sagen „Waal“, die Schweizer „Suone“ dazu) gewinnen wir ganz gemütlich schnell an Höhe. Es ist schon toll, wie die Altvorderen ihr Bewässerungssystem angelegt haben. In nicht mal einer Stunde kommen wir auf einer Alm an, wo wir uns mit Käse versorgen: 300 Gramm Toma kosten gerade mal 2,50 Euro.

Entlang der alten Waalwege wandert es sich ganz entspannt durch den Lärchenwald.

Die Alpe Costarossa, für die wir den Bauernhof gehalten haben, ist das freilich nicht. Die kommt erst rund eine Strunde später. Nachdem wir durch Wiesen gewandert sind, die vor weißen Lilien nur so überquellen.

An der Alpe Costarossa wollen wir Halt machen. Und tun das auch, nachdem wir nochmal 300 Gramm Toma erworben haben. Aber leider wird die Jause auf 1940 Metern beileibe nicht so gemütlich, wie wir uns das vorgestellt haben. Denn buchstäblich in Windeseile ziehen die Wolken vom Tal herauf und hüllen uns in eine dichte Nebelsuppe ein. Also schnell weiter, schließlich wollen wir nicht nochmal in ein Unwetter rein.

Eine Almstraße lässt uns zügig vorankommen, unsere Rucksäcke spüren wir kaum. An der Alpe Arcella (auf 2008 Meter) ist es freilich erstmal Schluss mit der Gemütlichkeit. Erst später erfahren wir, dass auf dieser riesigen Schafalm im Vorjahr der Wolf zu Gast war. 20 Schafen soll er die Gurgel durchgebissen haben.

Aber als wir hier vorbeikommen, bietet sich nur ein Bild des Friedens. Da fällt es nicht groß auf, dass der Weg nun doch viel steiler und unbequemer wird.

Zumal uns auch hier eine schier unglaubliche Blumenpracht begleitet. Das Wetter wird besser, ringsum pfeifen die Murmeltiere, dass es eine wahre Pracht ist.

Kurz nach 14 Uhr sind wir dann an der Capanna Sociale Aurelio Ravetto, einer alten Kaserne auf 2545 Meter, die ein zwölfköpfiger Freundeskreis kurz nach der Jahrtausendwende zur Schutzhütte umgebaut hat. Der einstige Kommandostand der italienischen Armee aus dem Jahre 1944 gleich daneben ist schwer heruntergekommen und bricht schier zusammen. Nichts zeugt mehr von seiner einstigen Bedeutung.

„Genauso hat es bei uns ausgesehen“, sagt uns Hüttenwirt Franco Vigna, der erst am Tag zuvor mit einer Freundin hier hochgekommen ist, um zu putzen und die Hütte reif für die Sommersaison zu machen. Viel später als sonst. Am 7. Juni, so erzählt er uns, hat er schon mal einen Versuch gemacht. Da musste er sich den Weg zur Hütte freischaufeln, weil sie total eingeschneit war.

Große Vorräte hat er noch nicht da. Aber für einen Teller Salami und eine Portion Spaghetti mit Tomatensauce reicht es allemal.

Gestärkt durch dieses opulente Mittagsmahl kommen wir schnell über ein Schneefeld und zum höchsten Punkt des Tages: den Colle Croce di Ferro. Der Eisenkreuz-Pass bringt es auf 2558 Meter.

Der höchste Punkt des Tages: der „Eisenkreuz-Pass“ mit 2558 Metern

Auch während des Abstiegs müssen wir mit den letzten Spuren des Winters kämpfen, kommen aber gut durch.

Da machen uns die Wolken am Himmel schon mehr Sorgen, und tatsächlich müssen wir mitten in einem unglaublichen Almrosen-Feld, wie ich es wohl noch nie in meinem Leben gesehen habe, die Regenkleidung überziehen.Unser Tagesziel, der Lago Malcaussia (Malcaussin ist der französische Name) haben wir fast eine Stunde lang im Auge, bevor wir tatsächlich dort an dem Stausee mit dem kristallklaren Wasser ankommen.

Alpenrosen über Alpenrosen – so weit das Auge reicht

Die letzte halbe Stunde legen wir dann in der strahlenden Abendsonne zurück. Kurz nach 18 Uhr sind wir im Rifugio Vulpot auf 1820 Meter. Wobei „Rifugio“ untertrieben ist. Es handelt sich mehr um ein Hotel denn um eine Hütte, auch wenn es in die Jahre gekommen ist.

Ein idyllischer Anblick: der Lago Malcaussia (rechts hinten: das Rifugio Vulpot)

Aber das ist wohl überall so. Auch der Tourismus hat hier in den Valli di Lanzo keine große Chance mehr, sieht man von den Tagesausflügler, die am Wochenende der Hektik von Turin entfliehen wollen, mal ab.

Aber gekocht wird auch hier ganz famos. Die drei verschiedenen Vorspeisen (wieder Salami, Anchovis in Kräuteröl und gebackene Auberginen), die Tortellini in der Brühe, die Scaloppine mit Bohnen und Bratkartoffeln, der Toma und die Süßspeise zum Dessert mundeten ganz hervorragend.

Wer wissen will, ob es stimmt, kann hier bei den sehr freundlichen Wirtsleuten einen Tisch bestellen: http://www.rifugiovulpot.com.