Gestern war der 19. März. Josefstag. Und da war ich Gedanken natürlich schon morgens daheim im Außerfern. Denn normalerweise ist an dessen Abend Zunftfeier in Bichlbach.

Der Josefstag  war für mich zuvor eigentlich nur als Kind wichtig: Es war der Namenstag unserer Oma. Josephine war zwar evangelisch, aber dennoch gratulierten ihr am Josefstag im katholischen Schwäbisch Gmünd jede Menge Leute zum Namenstag.

Es war der einzige Namenstag, den ich kannte. Halt, stimmt nicht: den meine Mutter natürlich auch. Der Stephanstag (der 26. Dezember) war zugleich der Tag der Geburt der kleinen Stefanie.

Meinen eigenen Namenstag musste ich mir grad wieder überlegen. Es ist wohl der 23. April, weil dort auch der heilige Georg gefeiert wird. Aber ich vergesse das Jahr um Jahr. Sei’s drum: der einzige Namenstag, der sich mir wirklich jenseits meiner Mutter eingeprägt hat, ist der Josefstag.

Als ich daher von Nürtingen ins außer fern gezogen bin, war ich so gleich fasziniert vom Nationalfeiertag in Bichlbach. Auch dass die Zunftbruderschaft mit ihrem Präsidenten Paul Strolz die Jahrhunderte alte Handwerker Tradition weiter pflegt, hat mich begeistert. Und so war einer meiner ersten „Amtshandlungen“ als Reuttener, die Beitrittserklärung zu unterschreiben. Obwohl die Bruderschaft  ja eigentlich  früher Handwerkern vorbehalten war. Aber der „schwarzen Zunft“ kann man mich ja auch zuordnen, und zudem ist guter Journalismus eben nicht nur Kunst, sondern zum Großteil auch Handwerk. Ohne das gründliche Recherchieren, ohne korrekte Grammatik und Rechtschreibung, ohne das sorgfältige Redigieren von Texten ist letztlich alles nix.

Ehrlich gesagt: Als wir zu unserer Sizilienreise inklusive Pilgerwanderung aufgebrochen sind, da hatte ich nur in einem einzigen Punkt ein schlechtes Gewissen: ich würde zum ersten Mal, seit ich dabei bin, den Gottesdienst in der Zunftkirche und die anschließende Feier vor offener Lade im Dorfheim in Bichlbach verpassen. Das schlechte Gewissen hat mir Corona nun genommen: Die Feier musste nämlich wegen der Krise daheim ebenfalls abgesagt werden.

Eine schöne Erinnerung: die Lesergruppe der Nürtinger Zeitung bei einer Sommertour für „Licht der Hoffnung“ in der Zunftkirche zu Bichlbach.

Doch jenseits von Bichlbach hat der Josephstag auch in Tirol keine sonderliche Bedeutung mehr. Das ist hier in Italien noch etwas ganz anderes.

“Domani e la festa del Papa!“, hatte  mir Orlando aus der Gegend von Pomposa (mit seiner fantastischen uralten Abtei) und Comacchio (mit dem Naturschutzgebiet an der Po-Mündung) in der Provinz Ferrara, der auf dem Campingplatz El Bahira in San Vito Lo Capo unser Nachbar Richtung Meer ist, schon am Abend zuvor voller Vorfeude gesagt: „Morgen ist Vatertag!“

Eigentlich klar, den Josef war ja Jesus auch ein Vater. Und so ist es logischer, den Vatertag am 19. März zu feiern statt an Christi Himmelfahrt wie in Deutschland oder am zweiten Sonntag im Juni wie in Österreich.

Eigentlich klar, denn Josef war ja Jesus auch ein Vater. Und so ist es logischer, den Vatertag am 19. März zu feiern statt an Christi Himmelfahrt wie in Deutschland oder am zweiten Sonntag im Juni wie in Österreich.

Aber nicht nur das Datum macht den Unterschied aus: Während er in meiner früheren und auch in meiner jetzigen Heimat quasi einfach so nebenher läuft, ist San Giuseppe hier schon was Besonderes.

So drückt mir die freundliche junge Dame in der Rezeption gleich morgens, als ich unser Brot abhole, eine Tüte in die Hand: „Buona festa!“ Drin sind Mandarinen, Zitronen, und sizilianische Süßigkeiten. Mille Grazie!

Überraschung zuSan Giuseppe: eine Tüte mit sizilianischen Köstlichkeiten.

Ich muss an Acquaviva Platani denken – den vorletzten Ort, durch den wir es bei unserer abgebrochenen Pilgerwanderung geschafft haben. Dort werden normalerweise an jedem Josefstag Tische im Ortszentrum aufgestellt und schön gedeckt. Platz nehmen dürfen die Armen des Dorfes, denen an diesem Tag so richtig aufgetischt wird. Es ist ein Fest der Gemeinschaft aller, niemand soll ausgeschlossen sein, jeder gehört dazu.

Auch auf unserer Pilgerwanderung durften wir Solidarität erleben: Lino (links) und Alfonso versorgten uns zwischen Cammarata und Aquaviva Platani mit frischen Orangen.

„Eine schöne Tradition“, denke ich mir. Und ein schönes Beispiel. Uns nördlich der Alpen fällt ein solches Fest der Solidarität.

Und ich fange an zu träumen: Vielleicht könnte man es nach der Corona-Krise, die uns so deutlich den Wert der Solidarität, die im Zeitalter des Turbo-Kapitalismus verloren zu gehen drohte, vor Augen führt, daheim  einfach einführen. Ob am Josephstag oder zu einem anderen Termin, wäre zweitrangig.

Hauptsache daß!