Kleider machen Leute – das wußte schon Gottfried Keller. Doch wenn man in weltpolitischen Kreisen reüssieren möchte, reicht ein neues Gewand nicht aus. Da muß schon ein veritables Schloss her. Wie das von Ancy-le-Franc.
Antoine III. von Clermont-Tonnere war ein Vertrauter des französischen Königs Franz I.. Der hatte den italienischen Stararchitekten Sebastiano Serlio, der als der beste Renaissance-Baumeister der Welt galt, eigentlich für sich verpflichtet, gab aber dann (wohl aus politischen Gründen) einem französischen Landsmann den Vorzug.
Diese Chance packte Antoine beim Schopfe. Er hatte kurz zuvor geerbt, und auf die Ländereien musste ja irgendwas hin.
Und was für ein Bau wurde draus! Schon wenn man durch das Tor des Parks geht, ist man begeistert von der strengen Symmetrie des quadratischen Baus, in der sich Gestaltungselemente im stets gleichen Rhythmus abwechseln.

Auch der Innenhof des Schlosses besticht durch seine Gestaltung. Anders als man glauben könnte, ist der Bau keine Festung, die auf Renaissance getrimmt wurde. Der einzige Zweck war, Eindruck beim König und den Mit-Adeligen zu schinden. Man war zwar kein König, doch so protzen wie er, das war auch nicht schlecht.


Und man hielt sogar Gemächer für ihn bereit. In dem eigens für Heinrich II. gestalteten (da der auch kurzzeitig König von Polen war, brachte man einige MAle auch den weißen Wappen-Adler als Ornament an) findet zurzeit unserer Reise eine Lego-Ausstellung statt. Irgendwie passend. Auch mit den bunten Bausteinen kann man ja sein eigenes Schloss gestalten. Pech nur für den Schlossherrn: Der König kam gar nicht, sondern ritt einfach vorbei. Na sowas!

Aber schöne Räume hatte man. Und die kann man heute noch bewundern. Italiener und Flamen aus der berühmten Schule von Fontainbleau dürften sich hier ausleben, und man sagt, das sich in Ancy-le-Franc heute einer der wichtigsten Sammlungen an Wandgemälden des 16. und 17. Jahrhundets in Frankreich befindet.

Der deutschsprachige Audioguide gibt über die rund einstündige Führung viele Informationen, dank der man all dies viel besser einschätzen kann. Auch wenn man viele Namen von Adligen, deren Frauen und Mätressen sowie Künstlern nicht behalten kann – der Eindruck ist auf jeden Fall phänomenal.
Von Saal zu Saal, von Raum zu Raum, von Zimmer zu Zimmer wechseln die Motive.

Der Gottvater in der Kapelle stammt aus dem religiösen Kontext.


Es gibt auch Verweise auf die einst so beliebte Schäferdichtung mit so manchen Freuden des Schäferdaseins. Inclusive Schäferstündchen.


Und eine Freude sind auch die Blumendarstellungen. Einige dieser Motive werden übrigens in diesem Jahr im Garten nachgestaltet – aus Blumen.


Eine der Schlossdamen wiederum hatte eine Vorliebe für die exotische Tierwelt. Und so reitet ein Affe auf einem Hund.


Was wohl das Detail aus einem der griechischen Mythologie gewidmeten Bilderzyklus bedeuten mag? Eine Anspielung auf den gehörnten Ehemann (womöglich im Schlosse)?


Grauslich geht es auf jeden Fall beim Bild der biblischen Judith zu. Manche wollten im Kopf des Holofernes gar das Gesicht eines französischen Königs erkennen.


Aber nicht nur die Bilder an den Wänden schlagen einen in den Bann. Auch das Mobiliar aus fünf Jahrhunderten ist eine Augenweide.


Man sollte indes auf keinen Fall vergessen, immer mal wieder aus dem Fenster zu schauen: Der Landschaftspark aus der Wende vom 17. bis 18. Jahrhundert lockt einen, selbst zu lustwandeln. Und man darf das auch.


Wer das Schloss heute sieht, der kann im Grunde nicht glauben, dass es noch vor zwei Jahrzehnten dem Untergang geweiht schien. Es regnete durchs Dach, das alte Gemäuer drohte einzustürzen. Es war ein Glücksfall, dass die jetzigen Eigentümer einen Narren daran fraßen und sich die Rettung dieses einzigartigen Gebäudes zur Herzensanliegen machten. Das ist auf Schritt und Tritt spürbar.
Die Restaurierung ist ein Meisterwerk, auch wenn sie noch nicht komplett abgeschlossen ist. Und das Schloss wird auch mit hochkarätigen Konzerten zu neuem Leben erweckt.

Wirklich erstaunlich, dass sich im gesamten Jahr 2016 gerade mal 24 000 Besucher. Das ist nur ein gutes Drittel der Zahl, die etwa ins Freilichtmuseum in Beuren strömten.

Vielleicht rührt das ja daher, dass Ancy-le-Franc zwar am Canal de Bourgogne, aber abseits der modernen Verkehrsströme liegt. Der Vorteil: Es ist noch nicht so überlaufen wie andere Touristenattraktionen. Doch eine Reise dorthin lohnt. Auch und gerade mit dem Camper.

Informationen (leider nur in Französisch und Englisch) unter
http://www.chateau-ancy.com