Für zwei (oder genau gesagt: drei) Städte wird 2025 ein ganz besonderes Jahr sein: die „Doppelstadt“ Goricia (früher das österreichische Görz)in Italien/Nova Gorica in Slowenien – und Chemnitz in Sachsen! Warum? Ganz einfach: Das Duo/Trio wurde zu Europas Kulturhauptstädten 2025 auserkoren. Einige Highlights durfte ich vor kurzem im Rahmen einer internationalen Pressereise kennenlernen – und war hellauf begeistert. Auch deswegen, weil all die Glanzlichter nicht nur in der Stadt selbst erstrahlen, sondern auch die Region am Rande des Erzgebirges, das mir ja schon seit eh und je ans Herz gewachsen ist – nicht zuletzt bei den Recherchen für mein Wanderbuch über dessen Osten und die Sächsische Schweiz.

Schon in alter Zeit war Zwickau als wichtiges Verwaltungszentrum fürs Westerzgebirge bekannt. Die große Bedeutung der Stadt spiegelt sich auch in vielen wunderschönen Gebäuden wider. Doch nicht nur Fans von Kunst und Kultur kommen hier auf ihre Kosten – sondern auch Autofreaks: Hier in Zwickau schlug nämlich die Geburtsstunde der Horch-Werke. Deren Geschichte (und die von zahlreichen Marken, die sich mit dem Autopionier verbinden) wird in im faszinierenden August-Horch-Museum eindrucksvoll vor Augen geführt, das selbst ein Stück Autogeschichte ist: In diesen Gründerzeit-Hallen wurden seit 1909 die verschiedensten Vehikel produziert – bis 1990 auch der Trabant 601.

In der Villa daneben lebte von 1911 bis 1920 der Firmengründer August Horch selbst. Ein Nachbau  des ersten Horch, mit dem er 1904 nach Zwickau gekommen war und das zwischen 14 und 17 PS leistete (damals nahm man es mit den exakten Daten noch nicht so ernst wie heute) ist seit kurzem im Museum zu sehen – auch das ein echtes Glanzstück.

In Zwickau sollte eine Automobil-Aera beginnen: August Horch und Teile seines Teams im Horch 14-17 PS, der pünktlich für Chemnitz 2025 originalgetreu nachgebaut wurde.

Das Outfit der Automobilisten damals war recht verwegen. Und das nicht ohne Grund: Denn die Karosserien waren noch offen, so daß man vom Staub der Straße (Asphalt kannte man damals auch noch nicht) und möglichen Unbillen der Witterung einiges abbekam. Wer sein Auto selbst lenkte, trug einen langen Mantel aus wasserdichtem Gewebe (wie auf dem Foto unten links) oder ganz aus Leder (rechts) und dazu noch Fahrerbrillen, Ledermützen mit Ohrenklappen, Schal und Handschuhe gegen Regen und Kälte. Wer einen Chauffeur beschäftigte, stattete den wiederum mit einer Uniform aus, die Eindruck erweckte. Man war ja schließlich wer…

Verwegenes Outfit für „Selbstfahrer“: So kleideten sich die frühen Automobilisten.

Mit so mancher Karosse der frühen Autojahre verbinden sich auch kuriose Geschichten: So trieb der Audi Typ B Phaeton, der 1916 für das Heer Kaiser Wilhelms II. aufgebaut worden war, Jahrzehnte lang eine Dreschmaschine an, bevor man ihn 2001 auf einem französischen Bauernhof entdeckte. Diese Vergangenheit sieht man ihm keineswegs an – so liebevoll ist er restauriert worden…

Auf französischem Bauernhof die Zeitläufte überlebt: der Audi Typ B Phaeton.

Nach dem Krieg traf die Weltwirtschaftskrise Deutschlands Autohersteller schwer. Überlebenskampf pur war angesagt, Doch der Freistaat Sachsen reagierte – mit der Gründung der Auto Union wurde der erste staatliche Automobilkonzern in Deutschland geschaffen: Der vereinte die vorher selbständigen Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer unter einem Dach und ermöglichte dadurch, die vorhandene Infrastruktur weiter zu nutzen und dort weiter wunderschön designte Modelle zu produzieren. Und die hatten Erfolg: Vor dem Zweiten Weltkrieg war Auto Union die Nummer 2 unter Deutschlands Automobilherstellern – hinter der Adam Opel AG.

Auch die vorher selbständige Marke Wanderer wurde in die Auto Union eingegliedert – dieses Wanderer W40 Cabriolet aus dem Jahr 1936 befindet sich noch im Originalzustand!

Auch im Rennsport engagierte sich die Auto Union. Mit dem Wanderer W 25 nahm man zum Beispiel 1939 an der Zuverlässigkeits-Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich teil, die als damals schwerste Prüfung ihrer Art galt und über 4700 Kilometer von Flandern über Dijon und Lyon nach Turin und von dort weiter über Genua und Siena in Italiens Metropole führte. Zurück ging’s dann über Forli, Ferrara und Cortina d’Ampezzo nach Innsbruck sowie über Ulm, Stuttgart, den Nürburgring und Brüssel wieder zum Startort. Als einziges Team kam man mit allen drei Wagen durch und sicherte sich souverän den Coupe des Constructeurs.

Der Wanderer W25: Sieger der Zuverlässigkeits-Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich. Mit 68 PS und eier Spitzengeschwindigkeit von Tempo 160.

Doch die goldenen Jahre sollten bald vorbei sein. Autos wurden in Zwickau vornehmlich für die sowjetische Besatzungsmacht produziert, und die verfügte, dass man zur Bekämpfung der allgemeinen Mangelsituation auch Gebrauchsgegenstände für den Alltag herzustellen hatte: Schlittschuhe (ein absoluter Renner), Gasherde und (überaus passend) Tretautos etwa. Bei Horch machten diese „1000 kleinen Dinge“ (so die offizielle Bezeichnung) 18 Prozent des Gesamtumsatzes aus, bei Audi sogar mehr als 50 Prozent.

Teil der Nachkriegsproduktion in den sächsischen Werken der Auto Union: ein Gasherd…

… und ein Tretauto.

Neue Perspektiven taten sich dann in den Fünfziger Jahren auf: 1953 hatte der Ministerrat der DDR beschlossen, einen Pkw mit internationalem Standard entwickeln zu lassen – und das tat dann das Horch-werk in Zwickau mit dem „Sachsenring“, der auch auf der Leipziger Messe präsentiert wurde. Der feierte 1956 Premiere, doch war ihm nur eine kurze Lebensdauer beschieden: Da der mittlerweile auf den Markt gekommene Trabi so ein Renner war, brauchte man zusätzliche Produktionsanlagen – und daher wurde der „Sachsenring“ schon 1959 wieder „beerdigt“. Nachdem 1382 Fahrzeuge geferigt worden waren…

Nur ein kurzes Intermezzo der Zwickauer Fahrzeuggeschichte: der „Sachsenring“ aus den Fünfziger Jahren.

Und damit wären wir dann beim absoluten Hit der DDR-Automobilproduktion: dem Trabant. Seines Zeichens Sehnsuchts-Ziel von Millionen. Das nur mit Jahre langem Warten erreicht zu werden vermochte. Alles über den Trabi zu erzählen, würde hier jeglichen Rahmen sprengen. Daher hier nur ein paar Foto-Impressionen.

Das Innenleben des „Volkswagens Ost“.

Der millionste Trabi – aus dem Jahre 1973.

Der Renn-Trabi.

Der letzte Trabi.

Am 30. April 1991 lief dann der letzte Trabi vom Band – es war der 3 096 099. seit der „Nullnummer“ im Jahre 1957.

Der erste VW in Sachsen war schon am 21. Mai 1990 produziert worden. Es war ein Polo. Auch ihn kann man in diesem außergewöhnlichen Museum sehen.

Zwei Meilensteine mithin.

Und ein Beispiel, das deutlich macht: Das August-Horch-Museum erzählt nicht nur Automobilgeschichte. Sondern auch Zeitgeschichte. Denn in den Motoren und Karosserien spiegelt sich auch die Historie von Menschen, politischen Systemen und sozialen Unterschieden. Sehr zu empfehlen!

WISSENSWERTES

Detailnformationen zum August Horch Museum findet Ihr hier.

Infos über die Stadt Zwickau und ihre Schönheiten hält Zwickau Tourist hier bereit.

Tipps für die ganze Region Chemnitz/Zwickau bekommt Ihr hier.

In Sachsen gibt es natürlich auch noch viele andere schöne Ecken – hier gibt es alle Details dazu.


1 Kommentar

Uta Hägele · November 29, 2024 um 10:50 am

Info sehr gut und verständlich, Fotos prima!
Danke!
Macht Lust auf mehr……

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