Kommando zurück! So heißt es am nächsten Morgen. Aber dass stört uns nicht sehr. Zwar müssen wir auf der Strecke, die mir der hochkompetente Bergführer Alessandro Beber für meine Via Pensionista durch die Lagorai empfohlen hat, vom Rifugio Malga Conseria bmehr als eine Stunde den Weg zurück über den Passo Cinque Croci zur Alpe Cion. 

Passo Cinque Croci

Auf dem Passo Cinque Croci (Fünf-Kreuze-Pass)…

… verabschiedet sich Christine von ihren Freunden.

Aber wir freuen uns schon auf diese herrliche Landschaft und sind gespannt, was wir denn heute so Neues entdecken.

Zunächst geht es einmal bergab. Die Hüttenwirtin von der Malga Conseria hat schon recht: der Weg ist sehr schwer zu finden, weil die Markierungen miserabel und zudem hier nur wenige Wanderer unterwegs sind. Aber gerade das ist ja das Schöne an einer Tour durch die Lagorai. Wir genießen die herrliche Landschaft und erfreuen uns auch an der Schönheit des Verfalls.

Ja, so etwas kann es tatsächlich auch geben. Zum Beispiel in Form einer verfallenen Almhütte, aus der ein Strauch mit roten Beeren rankt und hinter der sich der Blick in die Weite der Wiesen öffnet.

Kurz dahinter stoße ich auf ein schlichtes Holzkreuz. „Zur Erinnerung und Dankbarkeit“ steht auf Italienisch dort geschrieben, und irgendwie zieht mich das magisch an. Ich setze mich auf ein Holzbänkle daneben, genieße die Sonne und das Geräusch der mich umschwirrenden Bienen.

Und plötzlich bin ich ganz bei mir und in mir. Kann die Stelle regelrecht körperlich spüren, fühle mich ganz daheim in dieser Landschaft und in mir selbst auch. Das sind die Momente, die einem nur eine Wanderung durch die Berge schenken kann. Das ist zumindest meine Meinung.

Wo wir heute rasten, tobte vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg

Und in der Tat sind wir ja auf dem Friedensweg unterwegs. Daß es da nicht nur um meinen inneren Frieden geht, spüre ich schon etwa eine halbe Stunde später auf dem knapp 2000 Meter hohen Passt Cupola: Das erste im Vorjahr aufgestellte Kreuz wird vom Stacheldraht umwunden, der vor hundert Jahren vom Ersten Weltkrieg sich diese herrliche und damals wie heute zutiefst einsame Gegend durchzog und durchtrennte.

Es ist Mittag, und wir packen die Jause aus. Nach ein paar Minuten kommen tatsächlich doch noch zwei Leute über die Passhöhe: Vater und Sohn auf der Pilzsuche. Pfifferlinge haben sie ausreichend gefunden, aber mit Steinpilzen hapert es heuer, sagen sie. Zu trocken, das Jahr 2017. Im Prinzip sei dies aber hier eine tolle Pilz-Gegend. Die beiden haben übrigens einer Fabrik, die Mehltüten für Getreidemühlen herstellt. Sie liefern auch in schwäbische Lande. So klein ist die Welt.

So nett die Unterhaltung war: Wir müssen jetzt weiter. Denn die Etappen auf dem Translagorai (wie die Weitwanderung durch dieses Gebirge genannt wird) sind nicht gerade kurz. Die Übernachtungsmöglichlkeiten liegen weit auseinander.

Der Weg zum Passo Sadole kostet viel Kraft

Und wir müssen auch noch hoch zum Passo Sadole. Der ist im Prinzip mit 2066 Höhenmetern gar nicht so wild, aber die lange Strecke fordert eben doch ihren Tribut: Christine kämpft mit Unterzucker, jetzt gegen Abend pfeift noch ein kalter Wind übers Joch, und so suchen und finden wir Unterschlupf in der Ruine einer (vermutlich österreichischen) Militärstellung aus dem Ersten Weltkrieg. Selbst Arco ist erschöpft und bettet sein Haupt auf einen Stein in der einstigen Soldatenstube.

Auch ein Vierbeiner muß sich mal erholen

Ja, der Krieg begleitet einen hier auf Schritt und Tritt. Ein Wegweiser macht darauf aufmerksam,. wo einst der Österreicher-Pfad zur Front verlief. Wir profitieren nun von der Wegebaukunst der Tiefgbauingenieure von damals. Ich preise die Segnungen der Erfindung der Serpentinen, über die wir zwar langsam, aber doch bequem über 450 Höhenmeter Gefälle drunten auf der Pian delle Maddalene und bei der Cauriol-Hütte ankommen.

Unser Ziel für heute: die Cauriol-Hütte

Irgendwie passt das Quartier zu dieser militärisch geprägten Etappe: An der Decke und an den Wänden des Speiseraums hängen Fundstücke aus dem Ersten Weltkrieg, vom Essgeschirr bis zur Handgranate (für manche sicher befremdlich, für uns aber passend und informativ, weil das eben zur Geschichte der Region gehört).

Makaber, aber eindrucksvolle Dekoration: Fundstücke aus dem Ersten Weltkrieg

Es gibt nur einen einzigen Schlafraum (den wir uns gottseidank nur mit zwei jungen Frauen aus dem Trentino teilen müssen, die einen  Gewaltmarsch vom Manghen-Pass – !!! – hinter sich haben), und der hat kein Fenster. Hinein- und hinaussteigen muß man über eine etwa 30 Zentimeter hohe Schwelle, die nicht gerade zum Komfort beiträgt, wenn man nachts aufs Klo muß (ebensowenig wie die schmale Wendeltreppe aus Metall).

Aber was soll’s?!: Das Essen ist gut, und wir sind beide erledigt genug, um allen Widrigkeiten zum Trotz auch gut zu schlafen.

Gegangen am 18. August 2017

Geschrieben am 6. September 2017

Start: 9 Uhr

Ankunft: 18.30 Uhr

Höhenunterschied: 400 Meter auf, 800 Meter ab

Übernachtung: Rifugio Cauriol; traditionsreiche Hütte, gute regionale Küche (Minestrone war laut Christine allerdings suboptimal); aber sehr einfache Schlafräume; sehr informative Ausstellungsstücke zu den Kämpfen am Monte Cauriol während des Ersten Weltkriegs; baitamontecauriol.it; Alternative: die gegenüber liegende Alm Malga Sadole (Übernachtung gratis, aber nur im Militärzelt; Frühstück aber prima).

Informationen über das Wandern in den Lagorai unter www.visitvalsugana.it

Informationen zur Region gibt es unter gibt es unter https://www.visittrentino.info/de