Eine wunderschöne Ausstellung läuft noch bis 21. September in der Galerie Kronburg bei Zams: „Landschaft.Leben.“ zeigt vielerlei Beispiele für die enge Verbindung der Tiroler Künstlerin Christine Schneider zur Schöpfung in all ihren Facetten.

Bei der Vernissage am Hohen Frauentag hatte ich die Ehre, die einführenden Worte zu sprechen:

Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lieblich anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und es geht aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilt sich von da in vier Hauptarme.“

Diese Worte aus dem 2. Buch Mose sind vielen von uns vertraut. Wobei mir erst vor ein paar Tagen, als ich Christines Bild betrachtet habe, das Ihr auf dem Plakat und den Einladungskarten (und natürlich auch hier in der Ausstellung) seht, so richtig bewusst geworden ist: Im Grunde ist das die älteste Landschaftsbeschreibung, die ich kenne.

„Eden“

Denn Landschaft und Natur, das sind im Grunde zwei Dinge: Natur entwickelt sich aus sich heraus, ohne fremdes Zutun.

Schon die alten Römer wussten das. Und machten einen Unterschied zwischen „Natura“ und „Regio“. Speziell hier, wo wir jetzt sind, setzte ihnen die „Natura“ auch Grenzen: Normalerweise verliefen ihre Straßen immer auf der Sonnenseite der Täler (wie etwas weiter drüben bei Fiss und Ladis), weil sie dort nach Regen schneller trockneten und nach dem Winter früher schneefrei waren: Zwischen den heutigen Städten Landeck und Imst aber war das jenseits des Inn zu gefährlich, deswegen wählten sie für ihre Via Claudia Augusta, die Trasse hier auf der Schattenseite aus.

Das größte Bild ist auch gut angekommen: „Birken im Sonnenlicht“

Gott brauchte für seinen Garten Eden für sich und ganze zwei Leute natürlich keine Straßen. Aber er tat das, was nötig war: Er pflanzte Bäume und sorgte für deren Bewässerung. Er „schaffte“ was, wie wir Schwaben ja zur Arbeit zu sagen pflegen. Eine Land-schaft war entstanden. Etwas anderes als Natur.

Im Grunde war der liebe Gott also der erste Landschaftsgärtner.

Und dabei sorgte er für Vielfalt, für den idealen Lebensraum.

Nicht nur für den Menschen, sondern auch für Tiere und die Pflanzen. Ein Ort der Glückseligkeit. Und diese Atmosphäre finde ich auch in Christines Bild „Eden“ ganz wunderbar widergespiegelt.

„Gebirgslandschaft“

Nicht nur die Via Claudia führt hier direkt am Gasthof vorbei. Sondern auch der Jakobsweg.

Würden wir jetzt ganz spontan einfach miteinander loslaufen, dann würden wir auf unserer Pilgerschaft die verschiedensten Landschaften durchqueren:

  • Tirol
  • Vorarlberg
  • das Appenzeller Land
  • die Schweizer Urkantone
  • die Welschschweiz mit dem Genfer See
  • die französische Region Rhone-Alpes
  • die Auvergne
  • das Languedoc und das Roussilon
  • Aquitanien
  • die Pyrenäen
  • das Baskenland
  • Navarra
  • Kastillien und Leon
  • Galizien mit SantiagoUnd nach so rund 2400 Kilometern wären wir dann in Finisterre am Atlantik angekommen.

Ich bin mir sicher, daß wohl jede und jeder von Euch während dieser Aufzählung immer mal wieder ein Bild vor Augen hatte. Ein Bild voller Leben.

„Stadt im Sommer“

Ja, Land schafft Leben. Das würden wir auf unserer virtuellen Pilgerschaft hier erleben.

  • durch die Milch und den Käse von den Almen in den Bergen
  • durch die Fische in den Flüssen, Seen und Meeren
  • durch die Rinder auf den Weiden der Auvergne oder Kastiliens
  • durch die Reben des Languedoc oder der Rioja
  • durch das Obst rings um den Bodensee
  • durch die Oliven des Roussilon und in Navarra
  • durch das Getreide von Aragon, das in den Windmühlen von La Mancha zu Mehl wird
  • und (so ungern wir das auch zuweilen hören mögen) durch die Industriegebiete und Ballungszentren. Denn wir leben nun mal nicht mehr im Garten Eden.

„Stadtrand“

Doch auch dieses Beispiel, das so gar nicht in unsere Sehnsucht nach Idylle passt, ändert nichts daran: Land schafft Leben. Und zum Leben gehören auch Emotionen. Landschaften und Landschaftsgestaltung lösen Emotionen aus. Wohl niemand kann gefühllos durch eine Landschaft gehen. Und auch hier gibt es die ganze Vielfalt:

  • seelenlose Wohnsilos machen uns traurig
  • sinnlose Straßenprojekte, die nur noch mehr Verkehr anziehen, (wie hier ganz in der Nähe) machen uns wütend
  • die zunehmende Versiegelung des Bodens bereitet uns Angst
  • die Vermüllung der Landschaft ekelt uns an
  • die mächtigen Berge lösen Ehrfurcht in uns aus
  • ein Wallfahrtskirchlein in einer Idylle wie hier schenkt uns Geborgenheit
  • über allen Gipfeln und Wipfeln ist Ruh
  • am Meeresstrand erleben wir Weite
  • auf einer Piazza oder in einer schönen Altstadt spüren wir Lebensfreude
  • und in unserer ganz persönlichen Lieblingslandschaft sind wir ganz einfach glücklich. 

    „Kleines Dorf“

     

Freilich: Landschaften umgeben uns nicht nur. Wir tragen sie auch in uns.

Nicht ohne Grund sprechen wir ja auch von „Seelenlandschaften“:

  • Manchmal tobt in uns ein Sturm, der die Blätter vom Baum der Hoffnung bläst
  • Manchmal wollen wir über Grenzen und Horizonte gehen
  • Manchmal sind wir so unruhig wie eine Metropole zur Rush-Hour
  • Manchmal ruhen wir so still in uns wie ein See im ersten Sonnenlicht
  • Manchmal kämpfen wir gegen Windmühlen
  • Manchmal wandeln wir im finsteren Tal
  • Manchmal sind wir so offen für Neues wie ein Acker vor der Aussaat
  • Manchmal ist unsere Überzeugung (ob von einer Sache oder uns selbst) so fest wie eine Burg hoch über dem Tal
  • Manchmal trügt das und wir finden uns in einer Ruine wieder.
  • Manchmal blühen wir auf wie ein Feld voller Sonnenblumen
  • Manchmal plätschert alles so fröhlich dahin wie ein Bächlein durch eine grüne Au
  • Manchmal baden wir in einem Meer voller Glück.

„Gewitterstimmung“

 

Christines Bilder hier zeigen die verschiedensten Landschaften. Sie sind für mich daher auch ein Impuls, auf die Spur der Landschaft zu gehen, die ich gerade in mir trage.
Und mich zu fragen: Wie fühle ich mich? Will ich dort bleiben? Oder sollte ich mich auf den Weg machen?

Ich lade Euch ein, es mir beim Gang durch die Ausstellung gleich zu tun. Vielleicht entdecken wir dabei auch gemeinsam den Himmel, ohne den die schönste Landschaft nichts wäre. Denn der gehört immer dazu.

*

Und Gott der Herr pflanzte einen Garten.“

Nicht nur in Eden.

Sondern auch in uns.

Entdecken wir ihn und seine ganze Schönheit und seinen ganzen Reichtum wieder!

Denn dann sind wir im Paradies.

Vielleicht kann diese Ausstellung gerade dazu einen kleinen Anstoß geben.

Infos über die Künstlerin: www.christlschneider.at.

Marie Fennig sorgt für die musikalische Umrahmung.

Aufmerksame Zuhörer.

Lebhafte Gespräche.