Hier geht es also offiziell los: An der Kathedrale von Sevilla, die wir am Tag zuvor bewundert haben (davon später), startet die Via de la Plata.

Der offizielle Start zur Via de la Plata: die Kathedrale von Sevilla.

Wir sind ein kleines bissle inkorrekt, denn vom Hotel Sevilla in der Calle Daoiz, wo wir zwei Nächte in einem schönen rot-goldenen Zimmer verbracht haben, schenken wir uns den erneuten Weg ins Zentrum und schlagen uns gleich über die Straße der katholischen Könige (Reyes catholicos) zur Brücke der Königin Isabell II. durch. Da zeigen starke Männer ihre Muskeln, während auf dem Guadalquivir, dem großen Fluß inmitten der Stadt, Kanuten auf die Tube drücken.

Starke Männer am Ufer des Guadalquivir.

Doch wir müssen ja weiter, endlos können wir den Sportlern nicht zuschauen. Doch so richtig weit kommen wir wieder nicht. Denn am anderen Ufer des Guadalquivir wartet schon die Markthalle des Stadtteils Triana auf uns. Und da können wir einfach nicht vorbei. Uns gehen fast die Augen über: Es gibt nichts, was es da nicht gibt. Fisch und Fleisch, Gemüse und Salat, Pilze und Obst – und wir hätten uns wohl dumm und dusselig gekauft, wenn wir nicht alles schleppen müssten. Also bleibt es bei einem Kaffee an einer der Bars in der Halle.

Aber nun endlich los! Es ist jetzt sage und schreibe schon 12 Uhr mittag!

Vor der Halle sehen wir das erste offizielle Wegzeichen, ein Papagei wünscht uns noch von seinem Käfig auf einem Balkon guten Weg, und dann kommen wir dank erstaunlich guter Markierung mit gelben Pfeilen erstaunlich schnell aus der Stadt. Wir laufen zunächst durch eine ziemlich verdreckte Gegend entlang eines Seitenkanals des Guadalquivir und blicken auf die Reste der Weltausstellung  von 1992, die nicht gerade den Eindruck erwecken, als seien alle noch genutzt.

Und wir sehen: Auch Spanien hat so seine sozialen Randgruppen. Im Grunde dieselben wie wir: Junge Leute, die am Samstagmittag nicht wissen, wohin, aus der Gesellschaft gefallen sind, sich irgendwo draußen (in diesem Fall unter einer Autobahnbrücke) treffen, die Ghettoblaster aufdrehen, (in Rentnerohren) grausliche Musik hören und vermeintlich (und zuweilen auch tatsächlich) finstere Dinge tun. Ob wir uns da durchtraten sollen? Wir schlängeln uns eher am Rande vorbei. Und es kommt, wie es im Grunde gar nicht anders zu erwarten war: Die Jungs (und Mädels) sind eher froh, daß man sie in Ruhe läßt.

Ruhe haben wir auf den nächsten Kilometern mal eher nicht: Der Weg hat noch keinen so rechten Zauber, führt entlang von Autobahnen und unter Bahntrassen. Aber so ist es ja auch im Leben. Nicht alles hat seinen Zauber. Aber da muss man durch.
Wir kommen an einem im Verfall befindlichen Gehöft vorbei. Die Viehzucht hat man wohl aufgegeben, hinter den Stall-Ruinen erstrecken sich riesige Ackerflächen. Am Rande stehen ein paar Orangenbäume. Wir haben kein schlechtes Gewissen. Und bedienen uns. Mit vier Stück. Ich hab ein Vitamindefizit und ess gleich eine. Gespritzt sind die garantiert nicht.

Die erste Orange direkt vom Baum – von mir am Wegesrand „organisiert“.

Wir legen Kilometer um Kilometer zurück, mit jedem Schritt wird der Hunger größer. In Santiponce fällt die Entscheidung: Wir brauchen was zum Mittagessen. Kurz nach 2. Christine wählt in der Caseta de Antonio gegrilltes Gemüse (mit dem für uns ersten – grünen – Spargel 2017), ich lauwarme Artischocken mit Schinken. Beides herrlich!

Nun sind wir gestärkt für die alten Römer. Beim heutigen Santiponce lag nämlich die alte Römerstadt Italica. Zwei römische Kaiser wurden dort geboren: Trajan (der erste, der nicht aus der Hauptstadt selbst, sondern aus der Provinz stammte) und Hadrian. Wahrlich nicht die unbedeutendsten.

Und diese Bedeutung spürt man noch heute: 25 000 Plätze hatte die Arena, die also im Grunde bundesligatauglich wäre. Selbst unter dem Boden gab es Räume, aus denen wohl Überraschungseffekte hervorgezaubert wurden. Und in den Katakomben warteten nicht nur Gladiatoren (von denen sogar noch eine Petition an den Provinzgouverneur erhalten geblieben ist) auf ihren Auftritt, sondern verlustierten sich wohl auch VIPs und Promines. Zumindest vermute ich das angesichts der schönen Mosaike.

In der Arena von Italica gibt es viel zu fotografieren.

Wir gehen noch hoch zur Therme, genießen den Blick auf die Landschaft, stellen fest, daß wohl noch gar nicht die ganze Stadt ausgegraben ist, sondern weitergetragen wird – und daß es schon ziemlich spät ist und wir grade mal die Hälfte unseres Pensums hinter uns haben. Als wir die Römerstadt verlassen, geben sich gerade einige Dutzend Spanier lustvoll dem Drill des römischen Exerzierens hin – wie man so was auch noch freiwillig machen kann??!!!

Wir müssen erstmal marschieren – drei Stunden schnurgerade, immer Richtung Horizont! Im Halbdunkel müssen wir einen Bach überqueren, im Dunkel kommen wir in unserer Herberge in Guillena an. Pepe, der uns den Schlüssel gibt, kann kaum fassen, daß jemand so lang brauchen kann.

Unsere erste Herberge in Guillena.

Er weiß ja nicht, wann wir losgekommen sind.
Für die, die es nachmachen wollen:

Start: Sevilla

Ziel: Guillena

Strecke: 22,4 Kilometer

Dauer: In sechs Stunden ohne Halt gut zu schaffen

Höhenunterschiede: so gut wie keine

Übernachtung: Alberque Luz de Camino Guillena, Telefon 0034- 667 727 380; 12 Euro pro Person; Sechserzimmer mit Stockbetten (wir waren allein im Raum)